Sw Dhyan Peter: Difference between revisions

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(Peter Sloterdijk)
(Peter Sloterdijk)


German philosopher, cultural theorist, television host and columnist. Sannyasin in Poona between 1978 and 1980. Presently (2014) Rektor of the Staatliche Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, Germany, and there Professor for philosophy and aesthetics.  
:German philosopher, cultural theorist, television host and columnist. Sannyasin in Poona between 1978 and 1980. Presently (2014) Rektor of the Staatliche Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, Germany, and there Professor for philosophy and aesthetics.  


Sloterdijk <small>in ''Selbstversuch. Ein Gespräch mit Carlos Oliveira'' (1996), p.105</small> :
::"Let there be no doubt on this point. I still do recognize Rajneesh (Osho) as one of the greatest figures of this century - he was a man of spirit, energy and playfulness; we will never again see anyone like him."


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:Peter Sloterdijk  in ''Selbstversuch. Ein Gespräch mit Carlos Oliveira'' (1996), p.105, translated from German:
:::Let there be no doubt on this point. I still do recognize Rajneesh as one of the greatest figures of this century - he was a man of spirit, energy and playfulness; we will never again see anyone like him.
:More of this conversation under [[#Quotes]], below.
 
 
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:[https://petersloterdijk.net Peter Sloterdijk - personal website]
:[http://www.hfg-karlsruhe.de/hochschule Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe]
 
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:1983 : [https://de.wikipedia.org/wiki/Kritik_der_zynischen_Vernunft Kritik der zynischen Vernunft] / [https://en.wikipedia.org/wiki/Critique_of_Cynical_Reason Critique of Cynical Reason] (Wikipedia)
:2009 : [https://de.wikipedia.org/wiki/Du_mu%C3%9Ft_dein_Leben_%C3%A4ndern Du mußt dein Leben ändern] / [https://en.wikipedia.org/wiki/You_Must_Change_Your_Life You Must Change Your life]  (Wikipedia)
:2013 : ''[[You Must Change Your Life]] (in this Wiki)
:see his full bibliography [[wikipedia:Peter_Sloterdijk#List_of_works|here]]
 
;see also
:[https://en.wikipedia.org/wiki/Peter_Sloterdijk Peter in the English Wikipedia]
:[https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Sloterdijk Peter in the German Wikipedia]
:An essay by Georg Diez, published in the [http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/28875/Peter-Sloterdijk Süddeutsche Zeitung – Magazine 15/2009], translated to English in [http://www.oshonews.com/2014/12/peter-sloterdijk/ Osho News, Dec 23, 2014].
 
 
=== quotes ===
 
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Peter Sloterdijk <small>in ''Selbstversuch. Ein Gespräch mit Carlos Oliveira'' (1996), ch.XI: Im Auge des religiösen Zyklons, pp.104 - 109</small> :
 
::C. O.: Deine Charakterisierung trifft jedenfalls idealtypisch den aktuellen Großstädter im Sog des schönen Scheins. Im kollektiven Imaginären haben die Top-Models sogar die Star-Schauspielerinnen überflügelt. Nebenbei gesagt: Vielleicht wäre es ganz gut, wenn das, was du eben dargestellt hast, von den Kreisen rezipiert würde, wo du immer noch verschrieen bist als Sektierer.
 
::P. S.: Manchen Leuten stecken meine indischen Exkursionen noch im Kopf, warum eigentlich? Vielleicht ist es nicht nur so dumm, wie es auf den ersten Blick scheint. Möglicherweise verbirgt sich in dem Argwohn mancher Leute eine Frage, die ich hätte beantworten sollen. Mag sein, daß ich einigen Lesern etwas schuldig geblieben bin. Ich hätte wohl einen Poona-Essay oder einen Entwicklungsroman schreiben sollen - ein wenig wie John Updike es gemacht hat, der die Exkursion der Bhagwan-Bewegung nach Oregon als Hintergrund für ein geistreiches Buch mit dem Titel »S.« behandelt hat.
 
::C. O.: Wovon hätte ein solcher Essay gehandelt?
 
::P. S.: Von zwei Dingen, erstens von meinen Erfahrungen mit dem Mann, der sich damals Bhagwan Shree Rajneesh nannte, und zweitens von einer zugleich kritischen und positiven Theorie der Sekte als psychosozialer Übergangsform.
 
::C. O.: Kannst du das kurz umreißen?
 
::P. S.: Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Ich halte Rajneesh noch immer für eine der größten Figuren des Jahrhunderts - er war ein Mann mit Geist, Energie und Spielsinn, wir werden nie wieder seinesgleichen sehen. Er war der Wittgenstein der Religionen, denn er hat die Sprachspiele der Weltreligionen radikal auseinandergenommen, bemerkenswert vollständig und mit der Grausamkeit, die aus der Vertrautheit mit den religiösen Tricks kommt. Er hat alles dekonstruiert und alles wiederholt, und zwar, wie mir scheint, unter der richtigen Annahme, daß die Religion nur durch aktive Religionsspiele untersuchbar wird. Der Westen ist weithin in einer bloßen Ablehnungskritik steckengeblieben, man könnte sagen in der Religionskritik durch Fremdwerden, Vergessen und Ignorieren. Rajneesh ist den entgegengesetzten Weg gegangen, er hat die positiven Religionen durch experimentelle Religionsspiele überwunden und hat sie auf subtile Weise zugleich vernichtet und aufgehoben. Seine Hauptmethode war die Parodie, genauer die Analyse durch die Affirmation. Im wesentlichen war der Ashram in Poona ein Institut für Vergleichende Religionsforschung - mit angegliedertem Labor für erotische Feldarbeit. Es gab an ihm viele begabte Forscher und Forscherinnen, ich war lange genug da, um es zu bezeugen. Wir würden das alles heute wohl unter interaktiven Genderstudies einordnen. Die Studienordnung an diesem Haus war eher von der frivolen Art, man taumelte von einer Übung zur anderen; ich erinnere mich an postgraduierte erotische Seminare, bei denen es den Teilnehmern den Atem verschlug. Doch wenn es eines gab, worüber an dieser Fakultät nicht diskutiert wurde, dann waren es Quotenfragen; denn der Lehrkörper bestand zu großen Teilen aus Frauen, Schönheiten, Entblößtheiten, duellfreudig, berührungswillig in einer Weise, an die heute zu erinnern melancholisch stimmt.
 
::C. O.: Das macht neugierig, willst du mehr darüber sagen?
 
::P. S.: Um Himmels willen, nein. Diese Dinge gehören ein für alle Mal in eine andere Zeit, und es wäre falsch, so zu tun, als könnte man sie von einem heutigen Standort aus erzählen. Aber ich sage noch ein Wort über Rajneesh. Er hatte einen cleveren Appell lanciert: »Kommet her zu mir alle, die ihr euch von mir etwas versprecht, was ich nicht halten werde, ich will euch zeigen, wo’s langgeht.« Das war harter Stoff und zugleich Sphärenmusik, ein hohes Spiel. Wer sich darauf einließ, der sah sich plötzlich im Inneren eines zen-artigen Meisterprojekts mit etwas diabolischen Zügen. Was Rajneesh selber anging, so wurde er zuletzt vielleicht ein Opfer seiner eigenen Medialität, denn er war verspielt wie ein Kleinkind, er neigte zu der Auffassung: Was Spielzeuge sind, das bestimme ich; und er machte buchstäblich alles zu Spielzeug, zu Erleuchtungsspielzeug. Im kritischen Moment kam es bei denen, die es begreifen konnten, zu einer Operation am offenen Herzen der Illusion - ohne Narkose. Die anderen durften nach persönlichem Bedarf ein wenig weiterträumen und wenn nicht alles trügt, so träumen sie noch heute. Also auf Rajneesh lasse ich nicht leicht etwas kommen, obwohl es dunkle Punkte in seiner Gestalt gibt. Zudem wirken seine Reden, vor allem die späteren, für westliche Rezipienten bestürzend primitiv. Sicher hat dieser Eindruck von übermäßiger Vereinfachung mit dem Bruch zwischen einer mündlichen Kultur wie der indischen und einer schriftlichen wie der europäischen zu tun. Für unsere aufgedrehten Schriftgehirne können die Botschaften aus der Mündlichkeit nur simplistisch wirken, oder unterkomplex, wie es heute so schön heißt. Ein mittelmäßiger Sekretär in der Schriftlichkeit muß sich einem Großmeister in der Mündlichkeit unendlich überlegen fühlen, der Medienwechsel bringt das mit sich. Doch diese Überlegenheitsgefühle sind trügerisch, daran zu zweifeln wäre eine Dummheit. Im übrigen war Rajneesh als Psycho-Scharlatan amüsanter als Jacques Lacan, der mit ihm damals um den Titel eines Meisters aller Meister konkurrierte. Tatsächlich hat auch Lacan das Mündlichkeitsproblem gesehen, und er löste es für sich selbst durch eine Flucht ins öffentliche Delirium. Damit hielt er die Meister-Schüler-Spannung aufrecht und schob den Augenblick hinaus, in dem sich der Schüler doch dem Meister überlegen fühlt und geht. Lacan hatte es natürlich mit seiner Pariser Literaten-Klientel viel schwerer; er mußte die Neurose als Sprachkunstwerk ausrufen und ständig neues Blabla und Meta-Blabla produzieren, aber irgendwann war auch bei ihm die Platte des psychotischen Surrealismus abgespielt. Lassen wir das Thema.
 
::C. O.: Wie du willst. Ich kann allerdings nicht glauben, daß du hiermit alles gesagt hast, was du zu Lacan zu sagen hättest. Mir fällt die Impulsivität, um nicht zu sagen polemische Überzogenheit, deiner Bemerkungen auf.
 
::P. S.: Was mich lebhaft macht, sind eher die psychologischen Fragen als solche, die hier ins Spiel kommen, nicht die Person oder das Werk Lacans; die Zeit, als ich ihn faszinierend fand, ist lange vorüber. Ich wollte lieber noch einmal auf die Sektenfrage zurückkommen. Ohne Zweifel könnte sie das interessanteste soziologische Thema der Gegenwart sein, wären die Soziologen nicht in der Mehrheit erloschene Köpfe. Am Verhalten zu den Sekten läßt sich der latente Totalitarismus der aktuellen Marktgesellschaft und ihrer Intellektuellen darstellen, denn der totalitäre Markt duldet nur das lockere, ausgekühlte Modell der Gesellschaft als freier Kundenassoziation, und genau das sind Sekten a priori nicht. Sekten sind heiße Kommunen, Brutkästen, Psychoreaktoren, sie sind organischer als die kühlen Massen atomisierter und vernetzter Käufer-Nomaden. Und die bürgerliche Gesellschaft duldet keine organischere Gesellschaft neben sich, sie erklärt den heißen Kommunen den Krieg. In einzelnen Fällen ist das auch berechtigt, weil solche Kommunen gelegentlich durchschmelzen und in paranoide Endkampfszenarien oder auf gurukratische Abwege geraten. Aber in den allermeisten Fällen passiert das nicht, und so sollte man, denke ich, die Sekten in Ruhe lassen. Zwar garantiert der moderne Staat, die politische Form des totalitären Marktes, formal die Religionsfreiheit, aber nur wenn die sogenannten Religionen Kirchen sind, also ihrerseits schon ziemlich kühle bürgerliche Gesellschaften; moderne Kirchen bedienen lockere Käufer-Gemeinden. Eine enthusiastische Kommunenbildungsfreiheit wird nicht gewährt - und die wäre der psychodynamisch interessante Punkt, weil Menschen ja zunächst Brutkastentiere sind, und wenn die überaufgelockerte bürgerliche Konsumentengesellschaft, dieses Ensemble aus letzten Menschen, schlecht oder gar nicht mehr brütet, wer soll dann die Brutkastenfunktion wahrnehmen?
 
::C. O.: Man möchte sagen: Kühle Gesellschaften sind Jahrmärkte der Unverbindlichkeit. Deine Brutkasten-Theorie macht mir unter anderem klar, was ich an Luhmanns Systemtheorie extrem problematisch finde: Er legitimiert den Autismus der Einzelsysteme auf allen Ebenen - von den Liebesbeziehungen bis zur Weltwirtschaft. Sein Weltbild verführt die jungen Intellektuellen dazu, die Brutkastenfunktion, wie du das nennst, als vormoderne, scheinbar überholte Affäre zu verabscheuen.
 
::P. S.: Mach dir nichts daraus, Carlos, die Systemtheorie ist die Fortführung des Idealismus mit heutigen Mitteln, und Idealismen entstehen, wenn Denker meinen, etwas gefunden zu haben, was ihnen das Zusammenleben mit anderen erspart. Die einzige sinnvolle Alternative zu einer überspannten Systemtheorie wäre eine hinreichend tief verankerte Anthropologie der inspirierten Kommune. Etwas in dieser Art kommt ja zur Zeit in Gestalt des amerikanischen Kommunitarismus in unsere soziologische Diskussion zurück, ein wenig hilflos vielleicht, aber durchaus bedeutsam. Kommunitarismus ist Heimweh nach der guten Sekte. Und die Amerikaner haben recht, so zu empfinden, denn die gute Sekte oder die inspirierte Gemeinde war die Quelle des demokratischen Traums.
 
 
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Sloterdijk <small>in [https://www.lettre.de/content/hans-jürgen-heinrichs_kantilenen-der-zeit ''Lettre International'' issue 036 ''Kantilenen der Zeit, Zur Entidiotisierung des Ich und zur Entgreisung Europas''] (1997) </small> :
Sloterdijk <small>in [https://www.lettre.de/content/hans-jürgen-heinrichs_kantilenen-der-zeit ''Lettre International'' issue 036 ''Kantilenen der Zeit, Zur Entidiotisierung des Ich und zur Entgreisung Europas''] (1997) </small> :
::Es ist nicht so, daß ich wie ein Christ oder wie ein Missionar oder wie einer, der im Namen seines Senders predigen muß, durch die Welt laufe. Aber ich habe tatsächlich eine Art von Einstrahlung aufgenommen, habe eine Ur-Investition von Erfahrungen erlebt, die von anderer Seite kamen und die in mir eine Art Dankbarkeit, aber auch ein aktives Echo, hervorgerufen haben, und ohne beides wäre meine Schriftstellerei nicht zu denken.
::Es ist nicht so, daß ich wie ein Christ oder wie ein Missionar oder wie einer, der im Namen seines Senders predigen muß, durch die Welt laufe. Aber ich habe tatsächlich eine Art von Einstrahlung aufgenommen, habe eine Ur-Investition von Erfahrungen erlebt, die von anderer Seite kamen und die in mir eine Art Dankbarkeit, aber auch ein aktives Echo, hervorgerufen haben, und ohne beides wäre meine Schriftstellerei nicht zu denken.


Sloterdijk <small>in an interview with [http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2006/06/13/a0226 Tages Zeitung TAZ.de, June 13, 2006] </small>:
Sloterdijk <small>in an interview with [http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2006/06/13/a0226 Tages Zeitung TAZ.de, June 13, 2006] </small>:
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Sloterdijk <small>in an interview with [https://sz-magazin.sueddeutsche.de/wissen/man-denkt-an-mich-also-bin-ich-80778 Süddeutsche Zeitung, November 12, 2014], Interview: Sven Michaelsen </small>:
Sloterdijk <small>in an interview with [https://sz-magazin.sueddeutsche.de/wissen/man-denkt-an-mich-also-bin-ich-80778 Süddeutsche Zeitung, November 12, 2014], Interview: Sven Michaelsen </small>:
::'''Q:''' Im Dezember 1979 reisten Sie nach Poona in Indien, weil sie gehört hatten, dass dort ein Super-Guru aufgetaucht sei, »der von den Upanishaden bis zum deutschen Idealismus und Wittgenstein alles auf der Festplatte« habe. Nach vier Monaten im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh kehrten Sie als Sannyasin zurück.
::'''Q:''' Im Dezember 1979 reisten Sie nach Poona in Indien, weil sie gehört hatten, dass dort ein Super-Guru aufgetaucht sei, »der von den Upanishaden bis zum deutschen Idealismus und Wittgenstein alles auf der Festplatte« habe. Nach vier Monaten im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh kehrten Sie als Sannyasin zurück.
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:[https://petersloterdijk.net Peter Sloterdijk - personal website]
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:1983 : [https://de.wikipedia.org/wiki/Kritik_der_zynischen_Vernunft Kritik der zynischen Vernunft] / [https://en.wikipedia.org/wiki/Critique_of_Cynical_Reason Critique of Cynical Reason] (Wikipedia)
:2009 : [https://de.wikipedia.org/wiki/Du_mu%C3%9Ft_dein_Leben_%C3%A4ndern Du mußt dein Leben ändern] / [https://en.wikipedia.org/wiki/You_Must_Change_Your_Life You Must Change Your life]  (Wikipedia)
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:[https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Sloterdijk Peter in the German Wikipedia]
:An essay by Georg Diez, published in the [http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/28875/Peter-Sloterdijk Süddeutsche Zeitung – Magazine 15/2009], translated to English in [http://www.oshonews.com/2014/12/peter-sloterdijk/ Osho News, Dec 23, 2014].


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Photo: DPA.

(Peter Sloterdijk)

German philosopher, cultural theorist, television host and columnist. Sannyasin in Poona between 1978 and 1980. Presently (2014) Rektor of the Staatliche Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, Germany, and there Professor for philosophy and aesthetics.


Peter Sloterdijk in Selbstversuch. Ein Gespräch mit Carlos Oliveira (1996), p.105, translated from German:
Let there be no doubt on this point. I still do recognize Rajneesh as one of the greatest figures of this century - he was a man of spirit, energy and playfulness; we will never again see anyone like him.
More of this conversation under #Quotes, below.


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websites
Peter Sloterdijk - personal website
Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
bibliography
1983 : Kritik der zynischen Vernunft / Critique of Cynical Reason (Wikipedia)
2009 : Du mußt dein Leben ändern / You Must Change Your life (Wikipedia)
2013 : You Must Change Your Life (in this Wiki)
see his full bibliography here
see also
Peter in the English Wikipedia
Peter in the German Wikipedia
An essay by Georg Diez, published in the Süddeutsche Zeitung – Magazine 15/2009, translated to English in Osho News, Dec 23, 2014.


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Peter Sloterdijk in Selbstversuch. Ein Gespräch mit Carlos Oliveira (1996), ch.XI: Im Auge des religiösen Zyklons, pp.104 - 109 :

C. O.: Deine Charakterisierung trifft jedenfalls idealtypisch den aktuellen Großstädter im Sog des schönen Scheins. Im kollektiven Imaginären haben die Top-Models sogar die Star-Schauspielerinnen überflügelt. Nebenbei gesagt: Vielleicht wäre es ganz gut, wenn das, was du eben dargestellt hast, von den Kreisen rezipiert würde, wo du immer noch verschrieen bist als Sektierer.
P. S.: Manchen Leuten stecken meine indischen Exkursionen noch im Kopf, warum eigentlich? Vielleicht ist es nicht nur so dumm, wie es auf den ersten Blick scheint. Möglicherweise verbirgt sich in dem Argwohn mancher Leute eine Frage, die ich hätte beantworten sollen. Mag sein, daß ich einigen Lesern etwas schuldig geblieben bin. Ich hätte wohl einen Poona-Essay oder einen Entwicklungsroman schreiben sollen - ein wenig wie John Updike es gemacht hat, der die Exkursion der Bhagwan-Bewegung nach Oregon als Hintergrund für ein geistreiches Buch mit dem Titel »S.« behandelt hat.
C. O.: Wovon hätte ein solcher Essay gehandelt?
P. S.: Von zwei Dingen, erstens von meinen Erfahrungen mit dem Mann, der sich damals Bhagwan Shree Rajneesh nannte, und zweitens von einer zugleich kritischen und positiven Theorie der Sekte als psychosozialer Übergangsform.
C. O.: Kannst du das kurz umreißen?
P. S.: Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Ich halte Rajneesh noch immer für eine der größten Figuren des Jahrhunderts - er war ein Mann mit Geist, Energie und Spielsinn, wir werden nie wieder seinesgleichen sehen. Er war der Wittgenstein der Religionen, denn er hat die Sprachspiele der Weltreligionen radikal auseinandergenommen, bemerkenswert vollständig und mit der Grausamkeit, die aus der Vertrautheit mit den religiösen Tricks kommt. Er hat alles dekonstruiert und alles wiederholt, und zwar, wie mir scheint, unter der richtigen Annahme, daß die Religion nur durch aktive Religionsspiele untersuchbar wird. Der Westen ist weithin in einer bloßen Ablehnungskritik steckengeblieben, man könnte sagen in der Religionskritik durch Fremdwerden, Vergessen und Ignorieren. Rajneesh ist den entgegengesetzten Weg gegangen, er hat die positiven Religionen durch experimentelle Religionsspiele überwunden und hat sie auf subtile Weise zugleich vernichtet und aufgehoben. Seine Hauptmethode war die Parodie, genauer die Analyse durch die Affirmation. Im wesentlichen war der Ashram in Poona ein Institut für Vergleichende Religionsforschung - mit angegliedertem Labor für erotische Feldarbeit. Es gab an ihm viele begabte Forscher und Forscherinnen, ich war lange genug da, um es zu bezeugen. Wir würden das alles heute wohl unter interaktiven Genderstudies einordnen. Die Studienordnung an diesem Haus war eher von der frivolen Art, man taumelte von einer Übung zur anderen; ich erinnere mich an postgraduierte erotische Seminare, bei denen es den Teilnehmern den Atem verschlug. Doch wenn es eines gab, worüber an dieser Fakultät nicht diskutiert wurde, dann waren es Quotenfragen; denn der Lehrkörper bestand zu großen Teilen aus Frauen, Schönheiten, Entblößtheiten, duellfreudig, berührungswillig in einer Weise, an die heute zu erinnern melancholisch stimmt.
C. O.: Das macht neugierig, willst du mehr darüber sagen?
P. S.: Um Himmels willen, nein. Diese Dinge gehören ein für alle Mal in eine andere Zeit, und es wäre falsch, so zu tun, als könnte man sie von einem heutigen Standort aus erzählen. Aber ich sage noch ein Wort über Rajneesh. Er hatte einen cleveren Appell lanciert: »Kommet her zu mir alle, die ihr euch von mir etwas versprecht, was ich nicht halten werde, ich will euch zeigen, wo’s langgeht.« Das war harter Stoff und zugleich Sphärenmusik, ein hohes Spiel. Wer sich darauf einließ, der sah sich plötzlich im Inneren eines zen-artigen Meisterprojekts mit etwas diabolischen Zügen. Was Rajneesh selber anging, so wurde er zuletzt vielleicht ein Opfer seiner eigenen Medialität, denn er war verspielt wie ein Kleinkind, er neigte zu der Auffassung: Was Spielzeuge sind, das bestimme ich; und er machte buchstäblich alles zu Spielzeug, zu Erleuchtungsspielzeug. Im kritischen Moment kam es bei denen, die es begreifen konnten, zu einer Operation am offenen Herzen der Illusion - ohne Narkose. Die anderen durften nach persönlichem Bedarf ein wenig weiterträumen und wenn nicht alles trügt, so träumen sie noch heute. Also auf Rajneesh lasse ich nicht leicht etwas kommen, obwohl es dunkle Punkte in seiner Gestalt gibt. Zudem wirken seine Reden, vor allem die späteren, für westliche Rezipienten bestürzend primitiv. Sicher hat dieser Eindruck von übermäßiger Vereinfachung mit dem Bruch zwischen einer mündlichen Kultur wie der indischen und einer schriftlichen wie der europäischen zu tun. Für unsere aufgedrehten Schriftgehirne können die Botschaften aus der Mündlichkeit nur simplistisch wirken, oder unterkomplex, wie es heute so schön heißt. Ein mittelmäßiger Sekretär in der Schriftlichkeit muß sich einem Großmeister in der Mündlichkeit unendlich überlegen fühlen, der Medienwechsel bringt das mit sich. Doch diese Überlegenheitsgefühle sind trügerisch, daran zu zweifeln wäre eine Dummheit. Im übrigen war Rajneesh als Psycho-Scharlatan amüsanter als Jacques Lacan, der mit ihm damals um den Titel eines Meisters aller Meister konkurrierte. Tatsächlich hat auch Lacan das Mündlichkeitsproblem gesehen, und er löste es für sich selbst durch eine Flucht ins öffentliche Delirium. Damit hielt er die Meister-Schüler-Spannung aufrecht und schob den Augenblick hinaus, in dem sich der Schüler doch dem Meister überlegen fühlt und geht. Lacan hatte es natürlich mit seiner Pariser Literaten-Klientel viel schwerer; er mußte die Neurose als Sprachkunstwerk ausrufen und ständig neues Blabla und Meta-Blabla produzieren, aber irgendwann war auch bei ihm die Platte des psychotischen Surrealismus abgespielt. Lassen wir das Thema.
C. O.: Wie du willst. Ich kann allerdings nicht glauben, daß du hiermit alles gesagt hast, was du zu Lacan zu sagen hättest. Mir fällt die Impulsivität, um nicht zu sagen polemische Überzogenheit, deiner Bemerkungen auf.
P. S.: Was mich lebhaft macht, sind eher die psychologischen Fragen als solche, die hier ins Spiel kommen, nicht die Person oder das Werk Lacans; die Zeit, als ich ihn faszinierend fand, ist lange vorüber. Ich wollte lieber noch einmal auf die Sektenfrage zurückkommen. Ohne Zweifel könnte sie das interessanteste soziologische Thema der Gegenwart sein, wären die Soziologen nicht in der Mehrheit erloschene Köpfe. Am Verhalten zu den Sekten läßt sich der latente Totalitarismus der aktuellen Marktgesellschaft und ihrer Intellektuellen darstellen, denn der totalitäre Markt duldet nur das lockere, ausgekühlte Modell der Gesellschaft als freier Kundenassoziation, und genau das sind Sekten a priori nicht. Sekten sind heiße Kommunen, Brutkästen, Psychoreaktoren, sie sind organischer als die kühlen Massen atomisierter und vernetzter Käufer-Nomaden. Und die bürgerliche Gesellschaft duldet keine organischere Gesellschaft neben sich, sie erklärt den heißen Kommunen den Krieg. In einzelnen Fällen ist das auch berechtigt, weil solche Kommunen gelegentlich durchschmelzen und in paranoide Endkampfszenarien oder auf gurukratische Abwege geraten. Aber in den allermeisten Fällen passiert das nicht, und so sollte man, denke ich, die Sekten in Ruhe lassen. Zwar garantiert der moderne Staat, die politische Form des totalitären Marktes, formal die Religionsfreiheit, aber nur wenn die sogenannten Religionen Kirchen sind, also ihrerseits schon ziemlich kühle bürgerliche Gesellschaften; moderne Kirchen bedienen lockere Käufer-Gemeinden. Eine enthusiastische Kommunenbildungsfreiheit wird nicht gewährt - und die wäre der psychodynamisch interessante Punkt, weil Menschen ja zunächst Brutkastentiere sind, und wenn die überaufgelockerte bürgerliche Konsumentengesellschaft, dieses Ensemble aus letzten Menschen, schlecht oder gar nicht mehr brütet, wer soll dann die Brutkastenfunktion wahrnehmen?
C. O.: Man möchte sagen: Kühle Gesellschaften sind Jahrmärkte der Unverbindlichkeit. Deine Brutkasten-Theorie macht mir unter anderem klar, was ich an Luhmanns Systemtheorie extrem problematisch finde: Er legitimiert den Autismus der Einzelsysteme auf allen Ebenen - von den Liebesbeziehungen bis zur Weltwirtschaft. Sein Weltbild verführt die jungen Intellektuellen dazu, die Brutkastenfunktion, wie du das nennst, als vormoderne, scheinbar überholte Affäre zu verabscheuen.
P. S.: Mach dir nichts daraus, Carlos, die Systemtheorie ist die Fortführung des Idealismus mit heutigen Mitteln, und Idealismen entstehen, wenn Denker meinen, etwas gefunden zu haben, was ihnen das Zusammenleben mit anderen erspart. Die einzige sinnvolle Alternative zu einer überspannten Systemtheorie wäre eine hinreichend tief verankerte Anthropologie der inspirierten Kommune. Etwas in dieser Art kommt ja zur Zeit in Gestalt des amerikanischen Kommunitarismus in unsere soziologische Diskussion zurück, ein wenig hilflos vielleicht, aber durchaus bedeutsam. Kommunitarismus ist Heimweh nach der guten Sekte. Und die Amerikaner haben recht, so zu empfinden, denn die gute Sekte oder die inspirierte Gemeinde war die Quelle des demokratischen Traums.


Lettre International 036

Sloterdijk in Lettre International issue 036 Kantilenen der Zeit, Zur Entidiotisierung des Ich und zur Entgreisung Europas (1997)  :

Es ist nicht so, daß ich wie ein Christ oder wie ein Missionar oder wie einer, der im Namen seines Senders predigen muß, durch die Welt laufe. Aber ich habe tatsächlich eine Art von Einstrahlung aufgenommen, habe eine Ur-Investition von Erfahrungen erlebt, die von anderer Seite kamen und die in mir eine Art Dankbarkeit, aber auch ein aktives Echo, hervorgerufen haben, und ohne beides wäre meine Schriftstellerei nicht zu denken.


Sloterdijk in an interview with Tages Zeitung TAZ.de, June 13, 2006 :

Q: Sie waren Ende der Siebzigerjahre Sanjassin, lebten eine Zeit lang bei Bhagwan in Poona.
A: Das Indienabenteuer war bei mir ein Ausfluss dieser Siebzigerjahrestimmung. Und hinzu kam die Überzeugung, dass ein rein materialistischer Revolutionsbegriff unzureichend ist. Man wollte damals Basis und Überbau umkehren und den mentalen Faktor ins Zentrum stellen.
Q: Es gibt so Metaphern für Prägungen. Manche sagen: Einmal Trotzkist, immer Trotzkist. Kann man auch sagen: Einmal Sanjassin, immer Sanjassin?
A: Im Grunde ja. Die Umstimmungserfahrung von damals bleibt irreversibel. Wer sie gemacht hat, wird unempfänglich für Theorien, in denen die Depression immer Recht hat. Auch will man den Wettbewerb, wer der Unglücklichste ist, nicht mehr um jeden Preis gewinnen. Man lebt unter einem helleren Himmel. Was mich betrifft: Indien ist völlig in den Hintergrund getreten, aber die damals erlebte Umstimmung wirkt immer noch nach.


heighth 200px

Sloterdijk in an interview with Süddeutsche Zeitung, November 12, 2014, Interview: Sven Michaelsen :

Q: Im Dezember 1979 reisten Sie nach Poona in Indien, weil sie gehört hatten, dass dort ein Super-Guru aufgetaucht sei, »der von den Upanishaden bis zum deutschen Idealismus und Wittgenstein alles auf der Festplatte« habe. Nach vier Monaten im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh kehrten Sie als Sannyasin zurück.
A: Ich habe mir von diesem Guru die Mala mit seinem Porträt geben lassen. Das ist die Meditationskette mit den 108 Perlen, die angeblich die 108 bekannten Meditationstechniken reflektieren. Nach Poona war ich psychisch nicht mehr unter meiner deutschen Adresse erreichbar. Es begann etwas, was ich einmal die Osterweiterung der Vernunft genannt habe. Mit diesem Impuls kam eine tiefe Aufheiterung in mein Dasein. Ich war plötzlich befreit von dem psychosozialen Tiefdruckgebiet, das über meinem Leben und dem meiner Generation gehangen hatte.
Q: Im Ashram wurde die freie Liebe praktiziert, da Sex als Erkenntniswerkzeug galt. Was haben Sie herausgefunden?
A: Was dort betrieben wurde, war naturgemäß das pure Ausagieren. Wäre Erkenntnis dabei gewesen, man hätte es ja früher oder später bemerkt. Im alten Indien hingegen gab es effektiv eine spirituelle Sexualpraxis, für die man sich auch im Westen interessierte, obwohl sie in unsere Welt kaum übersetzbar war – diese berüchtigten tantrischen Verfahren, die auf extremer Verlangsamung, hoher Zurückhaltung und respektvoller Ritualisierung beruhen. Davon halte ich übrigens nach wie vor sehr viel. Im Licht von Experimenten neige ich zu der Behauptung, dass neunzig Prozent der Sexualität, die hier als solche aufgefasst wird, nichts anderes als eine öde Rammelei bedeutet. Dass bei uns die meisten Männer, sogar die klügeren wie Arthur Miller, Philip Roth und andere Bett-Matadore, aus dem Stadium des grenzdebilen Rammlers nie herauskommen, ist die reale Tragödie unserer Kultur.
Q: Wie oft haben Sie Bhagwan gesehen?
A: Wenn er nicht in silence war, wie man das damals ehrfürchtig nannte, konnte man ihn täglich von neun bis elf in der Großen Halle sehen und hören. Er stieg aus seinem lautlosen Auto, setzte sich auf seinen weißen Sessel, schloss eine Minute die Augen, dann kommentierte er mit infernalischem und seraphischem Humor die spirituelle Weltliteratur durch, von den heiligen Schriften der Inder bis zu Nietzsche, ohne Pause, ohne den geringsten Versprecher und ohne irgendwas abzulesen. Uns konnte das gar nie lang genug dauern, weil sein Indo-Englisch so kurios, so melodisch, so tiefsinnig war, und zugleich so narkotisch einfach.
Q: Welche Sorte Humor hatte Bhagwan?
A: Der lag auf der Skala zwischen verheerend und liebevoll. Da gab es beispielsweise die inzwischen berühmte »Fuck Lecture«. Eine Schülerin, vermutlich aus England, hatte ihm geschrieben: »Dear Bhagwan, I feel shocked when I hear you use words like ›fucking‹. It hurts my religious feelings.« Das war sein Stichwort. Er erklärte ihr, dass religiöse Gefühle dazu da seien, verletzt zu werden, und dass die Engländer stolz darauf sein sollten, ein so vielseitiges Wort wie »fuck« zu haben. »And now listen« – dann führte er ihr fünfzig verschiedene idiomatische Wendungen von »fuck« vor mitsamt linguistischen Anmerkungen. Die Halle hat gebrüllt – und es war umwerfend, wie er ohne die Miene zu verziehen ein Beispiel nach dem anderen vom Stapel ließ. An seiner Genialität war kein Zweifel möglich. Und doch, wenn ich jetzt über ihn rede, ist mir zumute, als referierte ich eine Episode am Hof von Karl dem Kühnen aus dem Herbst des Mittelalters.
Q: Hans-Jürgen Heinrichs, Autor einer fast 400-seitigen Biografie über Sie, hält Poona für die einschneidendste Zäsur Ihres Lebens.
A: Da ist etwas Wahres dran, aber noch folgenreicher für meine Entwicklung war eine 1983 begonnene halbglückliche Liebesaffäre. Als sie nach einem Dreivierteljahr plötzlich zu Ende ging, weil die Dame auf andere Gedanken gekommen war, trat bei mir eine einigermaßen dramatische Metamorphose ein. Monatelang konnte ich nicht aufhören zu trauern. Am Ende eines halben Jahres war ich ein anderer Mensch. Meine Erscheinung veränderte sich völlig. Bis dahin konnte ich essen, was ich wollte, ohne mehr als 75 Kilo zu wiegen, wie ein Sträfling aus einem Lager. Mit einem Mal war ein innerer Zaun zur Welt abgerissen. Ich wurde kräftiger, eines Tages wog ich 95 Kilo und später leider noch mehr.
Q: Wie lange liefen Sie nach Ihrer Rückkehr aus Indien in orangefarbener Sannyasin-Tracht durch München?
A: Ungefähr zwei Jahre. 1984 hielt ich an der Münchner Akademie der Künste einen rhetorisch anspruchsvollen Vortrag. Er bestand in einer Serie von Hinweisen auf den Vortrag, den ich gehalten haben würde, wenn ich ihn ernsthaft hätte halten wollen. Das Ganze nannte sich »Taugenichts kehrt heim – Auch eine Theorie vom Ende der Kunst« – eine grammatische Übung auf dem Hochseil, frühromantisch überzogen und ziemlich frech. Ich trug einen orangenen Maßanzug und die Mala. Es war offen suizidal, doch der Auftritt funktionierte. Ich wollte einfach mal sehen, wie die Münchner Bildungsbürger rücklings auf den Hintern fallen.
Q: Haben Sie je daran gedacht, über Ihre Erlebnisse in Poona zu schreiben?
A: Natürlich. Ich habe damals Tagebuch geführt. Es liegt ganz unten in einer der verpönten Schubladen. Es zu publizieren würde mir nie in den Sinn kommen. Ich müsste ständig erröten, weil es grauenhaft naiv ist. Mein Stolz als Autor würde rundheraus abstreiten, dass jemand wie ich diese Sachen je geschrieben haben kann. Der Trick wäre vielleicht, alles neu zu verfassen, fiktiv authentisch oder als die Geschichte eines anderen. Eventuell würde das die Wiederannäherung erlauben. Ich denke sowieso seit ein paar Monaten darüber nach, die Gattung zu wechseln und nur noch erotische Romane zu produzieren. Das wäre endlich mal was Konkretes!